Bonn/Mallersdorf (dpa/tmn) – Geht es um die Klimakatastrophe, denken wir häufig – vielleicht mit schlechtem Gewissen – an die letzte Flugreise, die nächste Bestellung im Internet oder das viele Plastik in unserem Müll. Ein großer Teil der Ursache für viele Naturschäden ist uns aber noch viel näher und entsteht durch das, was täglich auf unserem Teller landet.
«Es kommt drauf an, wie man rechnet, aber rund ein Viertel der Treibhausgase entstehen auf dem Weg vom Acker bis zum Teller», sagt die Agraringenieurin Britta Klein vom Bundeszentrum für Ernährung und zählte Ursachen auf: weil bei der Tierhaltung umweltschädliche Gase entstehen, weil Böden zerstört werden und Tierarten sterben, aber auch bei der Verarbeitung und beim Transport von Lebensmitteln.
Verbotskultur führt zu nichts
«Es muss jedem klar sein, dass die Gesundheit der Menschen von der Gesundheit der Erde abhängt», sagt sie. Das klingt mahnend, aber Klein weiß auch, dass Verbotskultur zu nichts führt und Verzicht mit einem nachhaltigen Speiseplan nichts zu tun hat. Essgewohnheiten seien tief in uns verwurzelt und da lassen wir uns ungern hineinreden – erst recht nicht von der Politik.
«Wir müssen den Leuten die Last nehmen, dass sie alles falsch machen. Sie sollen nicht aufhören, Fleisch zu essen. Nachhaltig produziertes Bio-Fleisch aus der Region ist okay, aber insgesamt halten wir zu viele Tiere», so Klein. Denn die Ackerfläche, die für den Anbau von Futtermittel gebraucht wird, fehlt, um dort pflanzliche Lebensmittel anzubauen. Und die bräuchten wir, um langfristig alle satt zu bekommen.
Auch wenn die Deutschen mit rund einem Kilo die Woche mehr als doppelt so viel Fleisch essen, wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, ist der Fleischkonsum rückläufig: 20 Prozent essen täglich Fleisch und Wurst, vor acht Jahren waren es noch 34 Prozent, heißt es in dem repräsentativen Ernährungsreport 2023 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Nicht auf Fleisch verzichten, aber Menge reduzieren
Ähnlich wie Klein sieht es auch Melanie Kirk-Mechtel. Sie ist Autorin des Buches «So gut schmeckt Klimaschutz», das die Verbraucherzentrale NRW herausgegeben hat. «Es geht nicht um Verzicht, sondern darum, den Fleischkonsum zu reduzieren und Fleisch bewusst zu genießen», sagt die Ernährungswissenschaftlerin.
«Pflanzenbasiert zu essen, heißt nicht vegetarisch oder vegan zu leben, sondern einfach nur, dass wir den pflanzlichen Anteil in unserer Ernährung erhöhen», so Kirk-Mechtel. Wenn wir alle halb so viel Fleisch essen würden, dann wäre aus ihrer Sicht viel fürs Klima getan: Bei flexitarischer Ernährung könnten wir 27 Prozent Treibhausgase einsparen, bei vegetarischer sogar 47 Prozent.
Die Hälfte der Bulette durch Pilze ersetzen
Beide Expertinnen empfehlen, dass fehlende Protein zu ersetzen, etwa durch Hülsenfrüchte oder Nüsse. Dafür gibt es in Kirk-Mechtels Buch über 70 Rezepte. Diese sind nach Jahreszeiten sortiert, können also mit regionalen und saisonalen Produkten zubereitet werden. Ihr Rezept für Buletten zeigt, wie sich Fleisch reduzieren lässt: Kirk-Mechtel ersetzt die Hälfte des Fleisches durch Pilze. «Mir schmecken die Frikadellen so sogar noch besser, sie sind fluffiger», sagt sie.
Dafür wird das Hackfleisch zu gleichen Teilen durch Champignons ersetzt. Die werden, fein gewürfelt, in etwas Öl knusprig angebraten und dann zusammen mit den üblichen anderen Zutaten wie Zwiebeln, Semmelbröseln, Senf und natürlich dem Hackfleisch durchgeknetet, zu Buletten geformt und dann angebraten.
Noch ein Beispiel: Für ihre Bolognese verwendet die Autorin einfach weniger Hackfleisch: 150 g für zwei Portionen, und mehr Suppengemüse, nämlich 400 g. «Das schmeckt trotzdem wie klassische Bolognese.»
Wer nach einer Sahne-Alternative sucht, um Cremesuppen rein pflanzlich zu verfeinern, kann dafür 50 g Cashewkerne mit 50 g Rapsöl, 150 ml Wasser und einer Prise Salz vermengen und in einem Mixer glatt pürieren. Kirk-Mechtel ermutigt, zu experimentieren: «Mein Schokokuchen kommt ohne Eier und andere tierische Zutaten aus und wird durch pürierte weiße Bohnen schön saftig.»
Gut fürs Klima: Lebensmittelverschwendung vermeiden
Mehr Pflanzen auf den Teller, ist auch eine Devise von Verena Hirsch. Ihr Tipp: «Bei der Milch oder beim Joghurt einfach mal die Hälfte durch Soja- oder Hafer-Produkte ersetzen. Geschmack ist eine Frage der Gewohnheit und den können wir trainieren.» Die 29-Jährige ist Influencerin für nachhaltige Ernährung. Rund 24 000 Menschen folgen ihrem Instagram-Accout «allmydeer». Die Tipps, die sie dort und auf dem gleichnamigen Blog veröffentlicht, hat sie jetzt in dem Buch «Deine Küche kann nachhaltig» zusammengefasst.
Hirsch ist auf dem Bio-Bauernhof ihrer Eltern bei Regensburg aufgewachsen. Sie weiß daher, wie viel Arbeit und Energie es braucht, um Lebensmittel zu produzieren. Das Thema Lebensmittelverschwendung ist daher ihr zweites großes Anliegen. «Mein wichtigster Einkaufstipp ist, sich nicht zu fragen, ob ein Produkt regional, saisonal oder plastikfrei ist, sondern: Kann ich das aufessen?»
Denn jedes Lebensmittel, das auf dem Müll landet – in Deutschland sind das 11 Millionen Tonnen – hat bereits Treibhausgase produziert. Über die Hälfte der Abfälle stammt dabei aus privaten Haushalten.
Auf einer Tafel Vorräte notieren
«Nachhaltige Ernährung setzt nicht voraus, vegan zu leben, Co2-Bilanzen zu addieren, viel mehr Geld fürs Essen auszugeben oder nur im Bio-Laden einzukaufen» sagt Hirsch. In ihrem Buch teilt sie Tipps aus ihrem Alltag: Die Frage, was es zu essen gibt, beginne bei ihr zum Beispiel nicht beim Einkauf, sondern bei den Vorräten. Auf einer Tafel notiert die Bloggerin, welche Vorräte wo lagern – kühl, tiefgekühlt oder trocken. «So habe ich alle Vorräte im Blick und die Tafel gibt mir Inspirationen, was ich kochen könnte.»
Für ihre Devise «erst aufbrauchen, dann neu kaufen» hat sie eine «Zutaten-Tauschbörse» erstellt. Das ist eine Übersicht, welche Lebensmittel sich gegenseitig geschmacklich gut ersetzen lassen. Zum Beispiel Mangold, Pak Choi und Rote Bete-Blätter oder Erbsen, grüne Bohnen und Zuckerschoten. So werde der Vorratsschrank leerer und der Geldbeutel bleibe voll.
Rezept-Idee: Röstbrote mit Ofenkürbis
Das Rezept für «Röstbrote mit Ofenkürbis» stammt aus dem Ratgeber «So gut schmeckt Klimaschutz» der Verbraucherzentrale NRW.
Zutaten für 2 Portionen:
400 g Kürbis (z. B. Hokkaido), 1 Zwiebel, 2 Zweige Rosmarin, Salz, Pfeffer, 2 Scheiben Roggenmischbrot, 2 EL Saure Sahne
Zubereitung:
1. Kürbis erst in dünne Spalten und dann in kleine Würfel schneiden. Zwiebel fein würfeln. Rosmarinnadeln von den Zweigen zupfen und hacken. Alles in eine Schüssel geben.
2. Kürbis mit Olivenöl vermengen, mit Salz und Pfeffer würzen und auf einem Backblech verteilen. Bei 200 Grad Umluft etwa 10 Minuten backen.
3. Brotscheiben toasten und mit saurer Sahne bestreichen. Gebackene Kürbiswürfel darauf verteilen.
Tipp: Wenn Sie möchten, können Sie die Röstbrote auch noch mit geriebenem Käse bestreuen und kurz im Ofen überbacken. Statt Kürbis eigenen sich auch andere Gemüsearten.