Blumberg (dpa/tmn) – Sauschwänzle, was für ein Spitzname. Und doch sehr treffend. So wie ein Sauschwanz geringelt ist, windet sich auch diese Bahn durch eine verschlungene Strecke von Bögen, Schleifen, Tunneln und einer Kreiskehre zwischen Blumberg und Weizen.
Luftlinie zwischen den beiden Orten im Südschwarzwald: knapp zehn Kilometer. Länge der Bahnstrecke entlang der Grenze zur Schweiz: mehr als 25 Kilometer. Zu dieser erstaunlichen Differenz gleich mehr.
Regelbetrieb herrscht hier, auf diesem Teil der Strecke durch das Wutachtal, längst nicht mehr. Von April bis Ende Oktober sowie einige Male im Dezember verkehren aber die Züge der Museumsbahn.
Eine historische Güterzuglok der 50er-Baureihe, gebaut Anfang der 1940er Jahre, oder eine V-80-Diesellok – Baujahr 1955 – dampfen und dieseln dann mit bis zu sieben Personenwaggons über die historischen Gleise. In einer Stunde rumpelt es bis Weizen, nach Umrangieren der Lok geht es in etwas mehr als 60 Minuten retour nach Blumberg.
Die Idee der preußischen Militärstrategen
Familien und Eisenbahnfans von Nah und Fern sind die Reisenden in der Museumsbahn. Heute ein Freizeitspaß auf Schienen, war die Strecke beim Bau zwischen 1887 und 1890 ein militärisches Projekt.
Etwas geschichtlicher Hintergrund: Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870 bis 1871 und dem Sieg über Frankreich fürchteten Preußens Strategen einen weiteren militärischen Konflikt. Schnell hätte man dann Truppen aus dem Raum Ulm nach Westen zum Rhein hin verlegen müssen. Aber durch die neutrale Schweiz? Keine Option.
Also musste eine neue Bahnstrecke her, quer durch den äußersten Südwesten Deutschlands über Berg und Tal, koste es, was es wolle. Für die Bauleute besonders herausfordernd wurde der Streckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Blumberg-Zollhaus und Weizen, kaum zehn Kilometer Luftlinie voneinander entfernt.
Die Erklärung für die Ringelei
«Doch Zollhaus liegt auf einer Höhe von 702 Meter über dem Meeresspiegel, Weizen kommt auf 471 Meter», sagt Claudius Bauknecht (56). Der Eisenbahn-Enthusiast aus St. Georgen im Schwarzwald hat sich tief in die Geschichte der Bahn eingegraben.
«Der Höhenunterschied ließ sich nur überwinden, in dem die Strecke auf 25 Kilometer verlängert wurde», erklärt er. «So kam man auf eine sanfte Steigung von 1:100.» Das entspreche also einen Meter auf 100 Meter Streckenlänge. «Diesen Anstieg sollten auch schwer beladene Militärzüge schaffen.»
Ein paar Mal pro Jahr führt der Bauingenieur nach Anmeldung Gästegruppen über die Bahntrasse, gut zwei Stunden lang zwischen Schienen und Schotter vom Haltepunkt Lausheim-Blumegg zum Bahnhof Grimmelshofen. Ingenieurfahrten – so nennen sich Bauknechts Touren: Eisenbahnfreunde aus dem In- und Ausland, aus Hamburg und Berlin seien schon dabei gewesen. Und sogar vom Eisenbahnbundesamt.
Einer der Höhepunkte: Der Gang über die kurvige Brücke in der Wutachschlucht, 28 Meter über dem tosenden Fluss. Zwei massive Pfeiler tragen die nach unten ausladende Stahlkonstruktion. Bauknecht erklärt: «Fischbauch nennen Fachleute diese Bauart». Es geht voran auf durchsichtigen Gitterrosten. Nur nicht in die Tiefe schauen!
In Schleifen und Kurven, über Brücken und durch düstere Tunnel windet sich die Bahn. In Deutschland einmalig ist der 1,7 Kilometer lange Stockhalde-Kreiskehrtunnel, in dem die Bahnlinie einen Kreis beschreibt und dabei 15 Höhenmeter überwindet.
«Einen Kringel wie beim Schwanz eines Schweines», sagt Bauknecht. Und so hatte der badische Volksmund bald den trefflichen Namen fürs «Bähnle» gefunden – Sauschwänzlebahn.
Tausende Bauarbeiter bauten rekordverdächtig schnell
In nur drei Jahren wurde die Strecke fertig, sagt der Bahnkenner weiter. Bis zu 3700 Arbeiter, darunter viele Italiener, malochten seinerzeit vor gut 130 Jahren bei Wind und Wetter, Schnee und Eis in der rauen Natur des Südschwarzwaldes. Über 100 Kilometer lang waren die Hilfsbahnen, mit denen alles Material wie Steine, Schotter und Maschinen zur Baustelle transportiert wurde.
«Berlin hatte befohlen, also wurde gebaut», sagt Bauknecht. Insgesamt wurde eine Trasse von gut 60 Kilometern zwischen Hintschingen an der Donau und Lauchringen an der Schweizer Grenze errichtet. Deren Mittelabschnitt ist die berühmte Sauschwänzle-Strecke.
Während wir mit Bauknecht über die Schienen stapfen, sind in der Talaue ein Dutzend Wanderer mit Monika Recktenwald (64) entlang der Wutach auf Tour.
Die Blumbergerin führt zusammen mit ihrem Bruder während der Sommermonate Gruppen durch das urige Naturschutzgebiet Wutachflühen – eine anspruchsvolle Wanderung über mehr als zehn Kilometer. Hin geht es zu Fuß von Blumberg zum Bahnhof Lausheim-Blumegg, zurück ganz gemütlich mit der Museumsbahn.
Museumsbahn mit Eventcharakter
Die Wanderungen und Bauknechts Ingenieurfahrten sind zwei der touristischen Angebote rund um die Sauschwänzlebahn. Die Stadt Blumberg als Betreiber der Museumsbahn mag allein auf eingefleischte Eisenbahnfans nicht mehr setzen, wie Blumbergs Bürgermeister Markus Keller (48) sagt.
«Pufferküsser» werden diese Fans mitunter scherzhaft genannt. Altersbedingt sinkt deren Zahl. Jugendliche zeigen im Zeitalter der Computerspiele eher geringes Interesse an der Bahn-Historie.
Und so geht auch die nostalgische Sauschwänzlebahn mit der Zeit: Rollende Weinproben, Prosecco-Touren, Whisky-Tastings, Vesperfahrten mit heimischem Bier oder dem Nikolaus an Bord: Eine Zugreise in die Vergangenheit als Event, darauf fahren die Gäste heutzutage ab.
Wer den Bund fürs Leben bei Dampf und Diesel abschließen möchte, kann im historischen Reiterstellwerk auch heiraten – einer Außenstelle des Standesamtes Blumberg. Je nach Lust und Laune und dem entsprechenden finanziellen Einsatz kommt die Hochzeit während der anschließenden Sonderfahrt im «Museumsbähnle» nochmal besonders ins Rollen – mit Volldampf ins Glück quasi.
Info-Kasten: Sauschwänzlebahn
Die Sauschwänzlebahn fährt zwischen Blumberg und Weizen im Naturpark Südschwarzwald. Die Deutsche Bundesbahn hat die Strecke am 1. Mai 1976 stillgelegt. Seit 1977 ist die Museumsbahn unterwegs. Laut eigenen Angaben befördert sie rund 90 000 Fahrgäste im Jahr.
Von Ende April bis Ende Oktober und an den ersten drei Adventwochenenden fährt die Museumsbahn nach festem Fahrplan. Infos zu Abfahrtszeiten, zu Fahrkarten, zu allen weiteren Angeboten und zur Historie im Internet unter «sauschwaenzlebahn.de» oder telefonisch unter 07702 51 300.
Anreise: Mit der Bahn entweder via Basel nach Waldshut. Von dort weiter über Lauchringen mit der Wutachtalbahn bis Weizen. Oder von Stuttgart über Immendingen bis nach Blumberg-Zollhaus.
Weitere Informationen zur Region: Schwarzwald Tourismus, Wiesentalstraße 5, 79115 Freiburg (Tel.: 0761 896460, E-Mail: mail@schwarzwald-tourismus.info; Web: «schwarzwald-tourismus.info»)