Ludwigshafen/Mannheim (dpa) – Wie eine lebenswichtige Schlagader zieht sich der Rhein durch Deutschland. Für den Klimaschutz ist der Fluss unverzichtbar – darüber sind sich Wirtschaft und Umweltschützer einig. Doch die Frage um das Wie lässt die Wellen hoch schlagen.
«Die Binnenschifffahrt ist von zentraler Bedeutung für die Verkehrswende in Richtung klimaschonender Gütertransport», sagt etwa der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). «Aber auch für die Wirtschaft sind gut ausgebaute und funktionierende Wasserstraßen von großer Bedeutung. Und wie beides zusammenhängt, haben wir alle im vergangenen Sommer mitbekommen, als die Pegelstände in Folge der anhaltenden Trockenheit auf Rekord-Tiefststände fielen.»
Der rund 1233 Kilometer lange Rhein gilt als nahezu unverzichtbare Verbindung für Tourismus und Handel auch in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Allein über die Häfen Mannheim und Ludwigshafen wurden 2022 mehr als 13 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen.
Experten fordern seit langem, dass die Binnenschifffahrt beim Klimaschutz eine bedeutendere Rolle spielen müsste. Das sieht auch Franz J. Reindl so, Geschäftsführer der Hafenbetriebe Rheinland-Pfalz GmbH. «Ohne Verlagerung der zunehmenden Verkehre von der Straße auf Schiene und Wasser werden wir die Klimaschutzziele in diesem Sektor nicht erreichen», betont er. «Die Schiene hat kaum freie Kapazitäten, wohl aber das Wasser.» Allerdings würden die im Verkehrswegeplan des Bundes untersuchten Maßnahmen nicht zeitnah umgesetzt, klagt Reindl. Er nennt als Beispiel die Vertiefung der Fahrrinne am Mittelrhein.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte sich bereits als Landesminister in Mainz für die sogenannte Abladeoptimierung stark gemacht. Für die Schifffahrt auf der internationalen Wasserstraße gilt besonders der Pegel Kaub als Nadelöhr. Flacher ist die Fahrrinne an keinem anderen Abschnitt des Mittel- und Niederrheins.
Naturschützer sind jedoch gegen eine Vertiefung der Fahrrinne. Man sollte die Schiffe dem Rhein und nicht den Rhein den Schiffen anpassen, sagt etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Mainz. Der Chemiekonzern BASF präsentierte Ende Mai ein Spezialschiff mit wenig Tiefgang. Das Unternehmen transportiert 40 Prozent der Güter am Stammwerk Ludwigshafen auf dem Rhein und will mit dem Schiff einen Produktionsstopp bei Niedrigwasser verhindern.
Das Schiff sei ein guter Schritt – und folgerichtig, sagt Professor Michael Schröder von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim. «Man darf nicht naiv sein: Die Sommer werden heißer, Phasen des Niedrigwassers werden zunehmen, was die Transportkette massiv gefährden wird.» Er rät zu einer nüchternen Analyse der Situation.
«Jeder Container auf dem Binnenschiff ist eine Lastwagenfahrt weniger, wenn auch nur im Fernverkehr», sagt Professor Schröder. Man dürfe aber nicht vergessen, dass auf vielen Flüssen und Kanälen die Schleusen ein Hemmnis darstellten.
«Von Untertürkheim, um ein prominentes Daimler-Werk als Beispiel für den Neckar anzuführen, bis zur Mündung in den Rhein in Mannheim sind es 23 Schleusen. Bei 45 Minuten pro Schleusung inklusive Warten sind das allein 17 Stunden vor und in der Schleuse, die Fahrzeit ist noch gar nicht dabei. Man sollte, was die Vorteile der Binnenschifffahrt jenseits des Rheins angeht, also die Kirche im Dorf lassen.»
Die Industrie- und Handelskammern Pfalz und Rhein-Neckar (IHKs) wollen am Montag (26.6.) bei einem Hafenforum die Diskussion über Verkehrswende, Hinterlandanbindung und Wohnen am Wasser vorantreiben. Unter den Rednern in Ludwigshafen ist neben dem Experten Michael Schröder und Verkehrsminister Winfried Hermann unter anderem auch die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP).
Die IHKs äußern sich zur Abladeoptimierung deutlich. «Wir appellieren an die Bundesregierung, das Projekt mit Hochdruck umzusetzen», sagt Nicole Rabold, Leiterin Geschäftsbereich Infrastruktur und Digitale Wirtschaft der IHK Pfalz. «Wer Klimaschutz möchte, muss sich klar zu Projekten bekennen, die hier einen Vorteil bringen.»
Die Hafenbetriebe Rheinland-Pfalz erhoffen sich von dem Treffen eine Sensibilisierung vor allem der Kommunalpolitik für das Thema. «Aber auch der Öffentlichkeit sollte die Rolle der Häfen in Ökologie und Ökonomie deutlicher werden. Es geht laut Bundesverkehrsministerium immerhin um 5,7 Millionen Beschäftigte», sagt Geschäftsführer Reindl.
Minister Hermann richtet den Blick auch nach Berlin. «Der Bund, der für die Flüsse als Bundeswasserstraßen zuständig ist, ist dringend gefordert, die Wasserwege und damit die Binnenschifffahrt fit für die Zukunft zu machen», sagt der Grünen-Politiker in Stuttgart. Dazu gehöre die Abladeoptimierung und für Baden-Württembergs Wirtschaft auch etwa die Sanierung und Verlängerung der Neckarschleusen für 135-Meter-Schiffe. «Ohne diese Ausbaumaßnahmen», meint Hermann, «wird die Verlagerung von der Straße auf die Wasserstraße nicht gelingen.»