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Erhöhter Einsatz: Ukraine-Widerstand gegen Russlands Sport-Rückkehr

Der IOC-Beschluss für eine Wiederzulassung russischer Athleten hat den Widerstand der ukrainischen Sportgemeinde nicht gebrochen. Im Gegenteil: Die Ukrainer erhöhen ihren Einsatz.

Ihr Hilfsgesuch an Thomas Bach flüstert das ukrainische Sportidol Oksana Bajul fast in eine Kamera. In einer Trainingsjacke in ihren Nationalfarben wendet sich die Eiskunstlauf-Olympiasiegerin von 1994 mit einer 51-sekündigen Botschaft an den «lieben Thomas». Es gebe da diesen Krieg in der Ukraine, den ihre Landsleute nicht begonnen hätten, sagt Bajul. «Deshalb wollen wir nicht, dass neutrale Athleten aus Russland bei Olympia 2024 dabei sind. Helfen Sie uns», schließt die 45-Jährige ihren Appell an den Chef des Internationalen Olympischen Komitees.

Auch nach dem IOC-Votum, Athleten aus Russland und Belarus den Weg zurück in den Weltsport zu ebnen, ist der Fall für die Sportgemeinde der Ukraine alles andere als erledigt. Im Gegenteil: Die Sportführung des Landes hat den Einsatz noch einmal erhöht. Per Beschluss des Sportministeriums ist offiziellen Delegationen der Ukraine künftig die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen mit Russen und Belarussen verboten. Bei Zuwiderhandlungen droht den nationalen Sportverbänden der Entzug des offiziellen Status.

«Nicht hinnehmbar» sei für die Ukraine ein Aufeinandertreffen mit Russen und Belarussen bei internationalen Sportwettkämpfen, so lange der Krieg andauert, betont Sportminister Wadym Hutzajt immer wieder. Sportverbände, die russischen und belarussischen Athleten die Tür öffnen, würden die Lage in der Ukraine nicht verstehen. «Dass viele Menschen hier getötet werden, sterben, dass ein Genozid an ihnen verübt wird. Wenn sie das mit ihren eigenen Augen sehen würden, würden sie ihre Position ändern», sagte Hutzajt schon vor dem IOC-Entscheid dem «Deutschlandfunk».

Als Erpressungsversuch verurteilen russische Sportspitzen die Boykottdrohungen aus der Ukraine. Das IOC reagierte ebenfalls in scharfer Tonlage. Die Vorgaben des Sportministeriums würden «ernste Fragen zur Autonomie des Sports in der Ukraine aufwerfen», mahnte der olympische Dachverband. 

«Sollte eine solche Entscheidung umgesetzt werden, würde sie nur die ukrainischen Athleten verletzen und sich in keiner Weise auf den Krieg auswirken, den die Welt beenden will und den das IOC so vehement verurteilt hat», teilte das IOC mit und bekräftigte, dass Regierungen nicht über die Teilnahme von Sportlern an Wettkämpfen entscheiden dürften.

Das sieht der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba etwas anders. «Wenn internationale Sportfunktionäre ihre Prinzipien nicht einhalten, müssen verantwortungsbewusste Regierungen einschreiten und Athleten die Einreise verweigern, die für Krieg und staatliche Propaganda stehen», sagte Kuleba. Er lobte damit auch den Vorstoß von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die Sportlern aus Russland mit einem Einreiseverbot für Wettbewerbe in Deutschland gedroht hatte.

Auch aus den Reihen ukrainischer Athletinnen und Athleten werden immer wieder Rufe an die nun wieder zuständigen Weltverbände laut, den Bann gegen Russen und Belarussen zu verlängern. Während bereits mehrere Verbände den IOC-Empfehlungen gefolgt sind, lehnen einige wie die Leichtathletik und der Pferdesport eine Wiederzulassung bislang ab. «Kein ukrainischer Sportler möchte bei einem Wettkampf auf russische oder belarussische Sportler treffen oder gemeinsam auf einem Podest stehen. Schon gar nicht, wenn es um Kontaktsportarten geht», sagte Ringer Schan Belenjuk, der auch dem ukrainischen Parlament angehört. 

Nicht wenige Ukrainer bewegt aber auch die Sorge um ihre Karriere als Leistungssportler, wenn ihnen Starts bei wichtigen Wettbewerben oder die Möglichkeit zur Olympia-Qualifikation verwehrt bleiben sollte. Die ukrainischen Sportler «leiden ohnehin schon genug», warnte Skeletoni Wladislaw Heraskewitsch im «taz»-Interview. 

Bei einem Boykott internationaler Wettkämpfe sei den ukrainischen Sportlern auch die Chance genommen, auf großer Bühne auf ihre Lage aufmerksam zu machen. «Wir wären wie in einem Versteck, so als hätten wir aufgegeben», sagte Heraskewitsch. Er selbst hatte bei den Winterspielen in Peking im Vorjahr kurz vor Russlands Angriff auf sein Land einen Zettel mit der Aufschrift «No war in Ukraine» (Kein Krieg in der Ukraine) in die Kamera gehalten.

Auch laut Kanu-Weltverbandschef Thomas Konietzko gibt es ein «unterschiedliches Meinungsbild» unter den ukrainischen Wassersportlern. Bei einer Entscheidung über die künftige Linie könne er jedoch nicht allein auf die Ukrainer Rücksicht nehmen, die nicht gegen Russen antreten wollen. 

«Es gibt aber eben auch zwei Drittel der Verbände, die eine andere Meinung haben», sagte Konietzko der «Frankfurter Rundschau». Sein Dilemma in der Frage der Wiederzulassung von Russen und Belarussen: «Wir müssen viele Dinge berücksichtigen, um am Ende eine Entscheidung zu treffen, die hoffentlich auch unseren ukrainischen Freunden passt.»

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