New York/Wismar (dpa) – Der Disney-Konzern kauft das bisher unter dem Namen «Global Dream» bekannte Kreuzfahrtschiff der insolventen MV-Werften-Gruppe in Wismar. Das teilte der US-Unterhaltungsriese in einem Blogeintrag mit. Die hauseigene Reederei Disney Cruise Line will das am MV-Werften-Standort Wismar unter ihrer Regie von Experten der Meyer Werft fertigbauen lassen. Ein Kaufpreis wurde am Mittwoch (Ortszeit) nicht genannt.
Auf dem Kreuzfahrtriesen, der auch unter dem Namen «Global One» bekannt war, sollten ursprünglich rund 9500 Menschen Platz finden. Es sollte damit das nach Passagierzahl weltgrößte Schiff werden. Disney plant nun mit einer Kapazität von rund 6000 Passagieren bei etwa 2300 Besatzungsmitgliedern, die auf dem 342 Meter langen und 46 Meter breiten Schiff mit seinen 20 Decks Platz finden sollen. Die MV-Werften hatten die Bruttoraumzahl der einst geplanten Global-Flotte mit 208 000 angegeben.
Am Donnerstag ist um 13 Uhr eine Pressekonferenz mit dem Insolvenzverwalter der MV-Werften-Gruppe, Christoph Morgen, in Wismar angesetzt. Hier könnten weitere Details zum Verkauf und Fertigbau bekannt gegeben werden. Auch Vertreter von Bund, Land und Gewerkschaften sollen anwesend sein.
Das zu 75 Prozent fertiggestellte Schiff war vom früheren MV-Werften-Eigner – dem chinesischen Kreuzfahrt-Konzern Genting Honkong – ursprünglich für den asiatischen Markt bestimmt gewesen. In der Pandemie gingen jedoch zunächst die MV-Werften und später auch der Mutterkonzern insolvent. Damit begann der Abverkauf.
Neben Disney kamen auch andere Unternehmen zum Zug: Der U-Boot-Bauer Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) erwarb die Werft in Wismar, das Marinearsenal der Bundeswehr, das Gelände in Rostock und die Stadt Stralsund die Liegenschaften in Vorpommern. Weitere Teile der Gruppe gingen an die niedersächsischen Werften Meyer und Fassmer, diese sicherten sich gemeinsam das Schiffbau-Ingenieurbüro Neptun Ship Design in Rostock. Der Medizintechniker Eppendorf übernahm den Standort der MV-Werfen Fertigmodule in Wismar.
Die großen Brocken hat der Insolvenzverwalter mit der heutigen Erfolgsmeldung damit an neue Eigentümer übergeben. Es bleiben jedoch noch kleinere Reste wie zum Beispiel bereits gefertigte Teile des geplanten Nachfolgers der «Global Dream», zudem müssen laut seinem Sprecher nun alle ausstehenden Forderungen geprüft und falls möglich beglichen werden. Hierfür brauche es einen langen Atem, es könnte noch Jahre dauern, bis das Verfahren abgeschlossen ist.
Das Aus der MV-Werften war kein Endpunkt einer Leidensgeschichte, vielmehr rauschte das Unternehmen in voller Fahrt vor eine Wand. Bis zum Beginn der Corona-Pandemie und dem folgenden Einbruch des Kreuzfahrtgeschäfts ging es der Gruppe blendend. Anfang Dezember 2019 versicherte MV-Werften-Geschäftsführer Peter Fetten noch, volle Auftragsbücher bis 2024 sicherten Vollbeschäftigung. Der Eigner der Werften-Gruppe – der chinesische Kreuzfahrt-Konzern Genting Honkong – kündigte sogar neue Aufträge an.
Dann kam die Krise. Laut dem internationalen Kreuzfahrt-Verband CLIA sind die Gästezahlen zwischen 2019 und 2020 weltweit um 81 Prozent eingebrochen. Nach der zwischenzeitlichen Hoffnung auf Hilfen der Bundesregierung und des Landes Mecklenburg-Vorpommern mussten die MV-Werften im Januar aufgeben, kurz darauf ging auch Genting den Weg in den Gläubigerschutz.
In Mecklenburg-Vorpommern fürchteten ab dann 1900 Beschäftigte der Werften um ihre Zukunft. 900, die noch bis Ende November in einer Transfergesellschaft untergekommen sind, tun das bis zuletzt. Der Kauf und angestrebte Fertigbau der «Global One», die auch unter dem Namen «Global Dream» bekannt ist, verspricht nun eine mittelfristige Perspektive.
Der Insolvenzverwalter der MV-Werften hat früheren Aussagen zufolge das Werftgelände in Wismar bis Ende 2023 von TKMS zurückgemietet, die Hallen können also für den Weiterbau genutzt werden. Morgen hat zudem mit dem Unternehmen vereinbart, dass die «Global One» im Folgejahr am Ausrüstungskai zwischengeparkt werden kann.
Für die betroffenen Beschäftigten sowie den Schiffbau-Standort im Nordosten könnte so ein glimpfliches Ende der Großpleite ins Haus stehen, die die maritime Industrie im Land vor eine Existenzfrage gestellt hatte. Auf dem Spiel standen auch zahlreiche Arbeitsplätze in den Zulieferbetrieben.
Grund für Disney, den Schritt zu wagen, könnte die Erholung auf dem Kreuzfahrt-Markt sein. Wie der Kreuzfahrt-Verband CLIA Ende September auf Basis einer Marktanalyse mitteilte, habe die Nachfrage das Niveau von 2019 wieder übertroffen. Bereits im April gab CLIA-Präsidentin Kelly Craighead die Prognose aus, dass die Gästezahlen bis Ende 2023 das Vorkrisen-Niveau übertreffen werden.