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Eingeleitetes Salz – Bericht zu Oder-Fischsterben lässt Fragen offen

Der deutsche Expertenbericht zum Fischsterben in der Oder enthält wichtige Analysen, aber keine große Überraschung. Umweltministerin Lemke betont, dass «menschliche Aktivitäten» die Katastrophe verursacht hätten. Wer genau dafür verantwortlich ist, bleibt unklar.

Der Abschlussbericht deutscher Experten zum massenhaften Fischsterben in der Oder lässt die Frage nach dem genauen Verursacher der Katastrophe offen. Die Forscher einer Nationalen Expertengruppe unter Leitung des Umweltbundesamts legten am Freitag die Ergebnisse ihrer Analysen vor und bestätigten die massive Ausbreitung einer giftigen Alge als wahrscheinlichste Ursache der Umweltkatastrophe. Welche Quelle jedoch zu der ungewöhnlich hohen Salzkonzentration im Wasser geführt hatte, die die Vermehrung der Giftalge begünstigte, bleibe «mangels verfügbarer Informationen» unklar, hieß es am Freitag.

Auch auf der polnischen Seite gab es keine eindeutige Antwort auf diese Frage. Experten des Nachbarlandes hatten am Donnerstag ihre eigenen Erkenntnisse dazu vorgestellt und im Wesentlichen die bereits bekannten Annahmen zum Fischsterben bestätigt. Die dort gefundenen toten Fische bezifferten Experten auf 249 Tonnen. Im Bericht der deutschen Forscher heißt es, dass sich die genaue Masse der toten Fische, die geborgen und entsorgt worden seien, «nicht belegen» lasse. «In der Presse» seien mehrere hundert Tonnen genannt worden.

Das deutsche Umweltministerium betonte am Freitag, eingeleitetes Salz habe zur Massenvermehrung der Brackwasseralge Prymnesium parvum geführt. Die Alge habe eine giftige Substanz erzeugt, die zum massenhaften Tod der Fische sowie anderer Organismen wie Schnecken und Muscheln geführt habe. Die genaue Quelle der Salze, anderer Elemente und Chemikalien sei aber unklar, heißt es im Bericht. Unklar sei auch, wie die Brackwasseralge, die normalerweise in Küstengewässern vorkommt, ins Binnenland geraten sei. Bei dem eingeleiteten Salz handelt es sich laut Bericht um das als Kochsalz bekannte Natriumchlorid.

Das Sterben der Fische wurde am 9. August auf deutscher Seite des Grenzflusses entdeckt. Polnische Behörden hatten nach Regierungsangaben schon Ende Juli erste Hinweise darauf. Deutschland warf Polen vor, die Ereignisse nicht frühzeitig gemeldet zu haben. Die ursprüngliche Absicht, einen gemeinsamen deutsch-polnischen Abschlussbericht zum Fischsterben vorzustellen, scheiterte. Stattdessen wurden zwei separate Analysen veröffentlicht.

Das Fischsterben in der Oder sei «eine gravierende Umweltkatastrophe», die «durch menschliche Aktivitäten verursacht» worden sei, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Freitag. Das sei ein zentrales Ergebnis der Untersuchungen. «Salzeinleitungen sind nach Ansicht der Fachleute die Ursache für das Fischsterben», betonte die Ministerin. «Wir müssen die Einleitungen von Stoffen, zum Beispiel aus Kläranlagen, in Flüsse überprüfen und reduzieren.» Sie werde dieses Thema im November mit den Ländern besprechen. Beim Vortrag der Ergebnisse auf polnischer Seite spielte der Faktor der Einleitungen dagegen eine untergeordnete Rolle.

Insgesamt deuteten die Analysen der deutschen Experten auf «multikausale Wirkmechanismen» hin, die zum Verenden der Tiere geführt hätten. Hohe Temperaturen und eine geringe Niederschlagsmenge hätten die Lage verschärft, weil die Konzentration der schädlichen Stoffe dadurch gestiegen sei. Die Experten stellten auch Herbizide fest, bei denen es sich «mit hoher Wahrscheinlichkeit um industrielle Einleitungen» handele. Die akuten Vergiftungen seien aber daraus nicht ableitbar, hieß es.

Die Analyse von mehr als 1200 bekannten Stoffen und Elementen habe ergeben, dass die nachgewiesenen Stoffe «typischerweise aus Einleitungen von industriellen oder kommunalen Kläranlagen» stammten. Nähere Details dazu nennt der Bericht nicht.

Um künftigen Katastrophen dieser Art vorzubeugen, empfehlen die Wissenschaftler unter anderem, weiter zur Ausbreitung der Brackwasseralge zu forschen und das grenzüberschreitende Warn- und Meldesystem zu verbessern. Auch vorhandene Genehmigungen für Einleitungen von Stoffen in Gewässer sollten überprüft werden.

Die Bundesumweltministerin sagte den betroffenen Regionen Hilfe zu. Nun stehe die Regeneration des Flusses im Vordergrund. Ausbaumaßnahmen an der Oder, wie sie Polen vorantreibt, stünden einer «erfolgreichen Regeneration entgegen», sagte Lemke. Sie stünde hierzu mit ihrer polnischen Kollegin im Austausch.

Brandenburg will Konsequenzen ziehen. «Auch wenn dieses Fischsterben-Ereignis so nicht vorhersehbar war, überprüft Brandenburg, ob und wie das Messsystem und die Meldeketten optimiert werden können», kündigte Umweltminister Axel Vogel (Grüne) an. Sein Ministerium will betroffene Fischereibetriebe finanziell unterstützen. Fünf Betriebe, die zu 80 Prozent von der Fischerei leben, seien sehr stark von den Folgen des Fischsterbens betroffen.

Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) forderte, die richtigen Schlussfolgerungen aus dieser Umweltkatastrophe zu ziehen. «Die Warn- und Alarmsysteme müssen überprüft und angepasst werden, damit alle Betroffenen früh- und rechtzeitig von solchen Ereignissen erfahren und Vorsorge- und Abwehrmaßnahmen ergreifen können», betonte er. Zudem müssten vor dem Hintergrund klimabedingter längerer Niedrigwasserphasen die wasserrechtlichen Genehmigungen für die Einleitung belasteter Abwässer angepasst werden.

Umweltverbände mahnten am Freitag zugleich einen Stopp der Oder-Ausbaumaßnahmen an. Die Umweltorganisation Greenpeace vermutet Einleitungen von Salz aus der polnischen Bergbauindustrie als Ursache für das Sterben und beruft sich auf Analysen von eigenen Aktivisten.

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